Foto: n.t.
|
Frau Pr�sidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute abschlie�end �ber das Budget des Gesundheitsministers. Das hei�t, wir sprechen �ber 14,5 Milliarden Euro. Es wurde hier schon mehrmals gesagt: Allein 14 Milliarden Euro davon flie�en in den Gesundheitsfonds. Das bedeutet, dass wir das eigentlich an die Krankenkassen durchreichen. Das ist nat�rlich Grund genug, sich einmal damit zu besch�ftigen, wie die Steuergelder dort verwendet werden. Das hat sich auch der Bundesrechnungshof gedacht und in der letzten Woche seine j�hrlichen Bemerkungen dazu abgegeben. Es lohnt sich durchaus, einen Blick in das 300 Seiten umfassende Werk zu werfen. Es ist allerdings zum Teil erschreckend.
Bevor ich dazu komme, m�chte ich etwas dazu sagen, wie sich die Situation f�r den normalen B�rger darstellt. Es gab mehrere Loblieder auf die derzeitige Gesundheitspolitik; begonnen hat damit der Kollege Singhammer. Ich wei� nicht, vielleicht leben wir in unterschiedlichen L�ndern. F�r den normalen Menschen in unserem Land stellt sich die Situation so dar: Er zahlt Monat f�r Monat seine Krankenkassenbeitr�ge, von seinen Steuergeldern wird der Extrazuschuss zum Gesundheitsfonds gezahlt, und seit 1993 hat er insgesamt zw�lf Gesundheitsreformen erlebt. Diese Gesundheitsreformen bedeuteten f�r ihn: Zuzahlungen f�r Medikamente, K�rzungen beim Zahnersatz, K�rzungen beim Krankengeld, K�rzungen beim Zuschuss f�r Brillengestelle, Streichung des Sterbegeldes, Streichung des Entbindungsgeldes, Einf�hrung der Praxisgeb�hr und letztendlich Einf�hrung von Zusatzbeitr�gen, also die Minikopfpauschale. So sieht es f�r den normalen Menschen in unserem Land aus. Das alles muss er unter der �berschrift „Reform“ ertragen. Die Schlagworte „Kosteneffizienz“, „Wirtschaftlichkeitsgebot“ und „Wettbewerb st�rken“ waren im Prinzip die Losung, die zu einer L�sung f�hren sollten.
Im jetzt vorliegenden Bericht des Bundesrechnungshofes kann man allerdings auch die andere Seite sehen, n�mlich wie die Krankenkassen mit den Mitgliedsbeitr�gen und den Milliarden an Steuergeldern umgehen. Es w�re eigentlich anzunehmen, dass sie sparsam damit umgehen, dass sie sich der Situation bewusst sind, aber leider ist dem nicht so. Vielmehr kann man neben Unregelm��igkeiten bei Krankenkassenfusionen, bei ungerechtfertigten und �berh�hten Geh�ltern und Abfindungen f�r Vorst�nde unter anderem auch die �berschrift lesen ‑ Herr Kollege Fricke hatte es angesprochen ‑: Millionenverluste bei Krankenkassen durch hohe Mieten und nicht ben�tigte B�rofl�chen. ‑ Krankenkassen haben noch nicht errichtete B�rogeb�ude angemietet, und zwar langfristig. „Langfristig“ hei�t in diesem Fall �ber 20 Jahre, und zwar ohne K�ndigungsoption. Angemietet wurden diese Objekte zu Mietpreisen, die doppelt so hoch waren wie die orts�blichen Vergleichsmieten. Es wurden 14 Euro pro Quadratmeter statt 7 Euro pro Quadratmeter gezahlt. Es wurden sogar Fl�chen angemietet, die gar nicht ben�tigt wurden. Beispielsweise wurden statt 8 000 Quadratmeter, die eigentlich nur ben�tigt wurden, 19 000 Quadratmeter angemietet. Die wurden dann untervermietet, nat�rlich zu den orts�blichen Mieten, oder sie standen leer. Man hat also Verluste eingefahren. Allein bei diesen Vermietungsgesch�ften sprechen wir �ber Verluste von insgesamt 14 Millionen Euro.
Was hier beschrieben wird, ist nicht nur einfach ein Versehen, sondern es ist schlicht Veruntreuung. Es ist kriminell, was hier passiert ist.
(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Na, na, na!)
Das ist ein Fall f�r den Staatsanwalt. Herr Kollege Fricke, es tut mir Leid: Man kann den Minister, ihren Parteifreund, doch nicht einfach so aus der Verantwortung lassen. Das Ministerium sieht in den vom Bundesrechnungshof aufgef�hrten F�llen keinen Handlungsbedarf, sondern es hei�t: So wie es passiert ist, ist es in Ordnung. Auf der anderen Seite ist es so, dass die Versicherten, die die Reformen erlebt haben und immer wieder wegen Kostenexplosion auf Leistungen verzichten oder mehr zahlen mussten, in den letzten Jahren nicht einmal die ihnen zustehenden Leistungen bekommen.
Besonders geschmacklos ist es dann, wenn es um die Kinder geht: Ich meine die Mutter/Vater-Kind-Kuren; das Thema d�rfte bekannt sein. Obwohl es gesetzliche Regelungen dazu gibt, verweigern die Krankenkassen in vielen F�llen die Bewilligung. Der Bundesrechnungshof spricht in diesem Fall sogar von „Willk�r von Entscheidungen“. Allein durch diese Praxis der Willk�r haben die Krankenkassen in den letzten Jahren 11 Millionen Euro eingespart. Noch einmal zum Vergleich: Auf der einen Seite werden 14 Millionen Euro f�r dubiose Mietgesch�fte verpulvert, auf der anderen Seite werden 11 Millionen Euro f�r Mutter/Vater-Kind-Kuren nicht genehmigt. Das halte ich f�r einen Skandal.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Minister, wenn Sie nicht in der Lage sind, diese Probleme in Ihrem Zust�ndigkeitsbereich zu l�sen, m�chte ich Sie zum Schluss noch auf eine Sache aufmerksam machen, die auch das Gesundheitssystem betrifft. Ihr Koalitionspartner hat vor einigen Wochen den Mindestlohn entdeckt.
(Mechthild Rawert (SPD): Lohnuntergrenze!)
Durch die ganzen Reformen sind nat�rlich auch die Krankenh�user mehr und mehr gezwungen, ihre Kosten zu senken, zum Beispiel indem sie Dienstleistungen ausgliedern. Das f�hrt dazu ‑ so viel zum Alltag; Sie haben davon gesprochen ‑, dass insbesondere die Besch�ftigten im Bereich Service zu Tiefstl�hnen arbeiten m�ssen. Sie haben keine Tarifvertr�ge, und die Politik hilft diesen Menschen nicht, indem sie einen Mindestlohn einf�hrt. 400 Meter von hier entfernt streiken deshalb die Besch�ftigten der CFM an der Charit� seit nunmehr 72 Tagen. Von hier aus die herzlichsten Gr��e an die Kollegen dort. Die Linke w�nscht viel Durchhalteverm�gen und Erfolg.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepr�sidentin Petra Pau:
Kollege Leutert, achten Sie bitte auf die Zeit.
Michael Leutert (DIE LINKE):
An Sie, Herr Minister, kann ich nur appellieren: Helfen Sie den Besch�ftigen im Gesundheitssystem, indem Sie sich als FDP-Minister in Ihrer Partei f�r den Mindestlohn einsetzen. Damit w�rden Sie den Besch�ftigten einen gro�en Dienst erweisen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)