DIE LINKE.

Michael Leutert, MdB (DIE LINKE.)


16.09.2010

Westerwelles Au�enpolitik bedient die Interessen der Industrie

Die Rede als Text

kk
Und hier - neben dem Video - noch die Rede zum Haushaltsentwurf des Ausw�rtigen Amts 2011 als Text:

Frau Pr�sidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Au�enminister, Sie haben Anfang dieser Woche der Stuttgarter Zeitung ein Interview gegeben und darin verk�ndet, deutsche Au�enpolitik m�sse wertorientiert und interessengeleitet sein. Welche Interessen Sie damit meinen, haben Sie auch noch gleich gesagt, n�mlich die der deutschen Unternehmen im Ausland. Die Frage ist nur, wie das umgesetzt wird.

Anfang August haben Sie als Vizekanzler eine Kabinettssitzung geleitet. Darin wurde das Lateinamerika- Konzept – das ist heute schon einmal angesprochen worden – beschlossen. Dieses Papier zeigt meines Erachtens exemplarisch, was unter wertorientierter und interessengeleiteter Au�enpolitik ganz konkret verstanden wird. Dabei geht es, kurz gesagt, darum, den deutschen Einfluss im ehemaligen Hinterhof der USA wesentlich zu verst�rken. Wenn man sich einmal den Weg der Entstehung dieses Konzepts anschaut, dann muss man sagen: Es gibt in der Regierung sehr wohl eine Kontinuit�t; denn ob Stichwort „Steuergeschenk an die Hoteliers“, ob Stichwort „Laufzeitverl�ngerung f�r die AKWs“, ob Stichwort „Pharmalobby und Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz“: Immer ist es derselbe Weg; Schwarz-Gelb ist Erf�llungsgehilfe f�r die Gro�konzerne und Lobbyisten.

(Beifall bei der LINKEN)

In diesem Fall ist es wieder so. Ich m�chte das auch kurz skizzieren.
Anfang dieses Jahres, im M�rz, hat die sogenannte Lateinamerika-Initiative der deutschen Wirtschaft Empfehlungen zu den deutsch-lateinamerikanischen Wirtschaftsbeziehungen an die Bundesregierung gesandt. Darin ist von der zunehmenden Bedeutung des Wirtschaftsstandorts Lateinamerika, von dessen Reichtum an Bodensch�tzen und Energieressourcen die Rede. Von der Industrie wird gefordert, dass die deutsche Politik endlich ihre wirtschaftlichen Interessen vertreten soll. Ganz konkret hei�t das, die Bundesregierung solle sich doch bitte daf�r einsetzen, dass die lateinamerikanischen Bankenm�rkte ge�ffnet werden und auf Schutzz�lle und andere Ma�nahmen f�r die dort ans�ssige Wirtschaft verzichtet wird. Lediglich f�nf Monate sp�ter ist die besagte Kabinettssitzung. Das Konzept wird beschlossen. Sie wiederholen fast wortw�rtlich Formulierungen der Industrie und sichern zu, dass die Bundesregierung mit aller Entschiedenheit gegen Marktbeschr�nkungen k�mpfen werde. Letzte Woche, lediglich einen Monat sp�ter, fand hier in Berlin der Wirtschaftstag statt, zu dem die �ber 200 Leiter der Auslandsvertretungen und �ber 1 000 Unternehmer und Wirtschaftsfunktion�re geladen gewesen sind.

Vizepr�sidentin Katrin G�ring-Eckardt:
Herr Kollege, m�chten Sie eine Frage von Frau Schuster zulassen?

Michael Leutert (DIE LINKE):
Sofort. – Das nenne ich effektives Arbeiten. Komisch an dieser ganzen Angelegenheit ist lediglich, dass das immer nur dann funktioniert, wenn die Interessen von Gro�konzernen, egal ob es Energiekonzerne, Pharmakonzerne oder Hotelkonzerne sind, bedient werden. In anderen Punkten klappt so ein effektives und
schnelles Arbeiten der Regierung nicht.

(Beifall bei der LINKEN)


Vizepr�sidentin Katrin G�ring-Eckardt:
Frau Kollegin, bitte.

Marina Schuster (FDP):
Herr Kollege, sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Ihre Schilderung der Chronologie hier komplett falsch ist? Wir haben als Allererstes in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass wir ein neues, ressort�bergreifendes Lateinamerika-Konzept auf den Weg bringen wollen. Das bisherige Lateinamerika-Konzept stammte aus dem Jahr 1995 und ist der ver�nderten Weltlage nicht mehr gerecht geworden. Ich bitte Sie sehr darum, Ihre Ausf�hrungen in diesem Punkt zu korrigieren. In unserem Konzept geht es ja beileibe nicht nur um Wirtschaftsinteressen, sondern auch um Umweltschutz, erneuerbare Energien und Biodiversit�t sowie Menschenrechte.

(Sven-Christian Kindler [B�NDNIS 90/DIE GR�NEN]: In Brasilien im Erdbebengebiet Atomkraftwerke!)

Der Erstellung des Konzeptes ging ja auch eine Reise voraus; dabei wurden unter anderem mit der GTZ Gespr�che in Brasilien �ber die Zertifizierung von Tropenh�lzern und �ber Biodiversit�t gef�hrt. Was Sie hier dargestellt haben, entbehrt jeder Grundlage.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Michael Leutert (DIE LINKE):
Liebe Kollegin, ich nehme das sehr wohl zur Kenntnis. Traurig ist allerdings, dass Sie nicht in der Lage waren, ein eigenes Konzept vorzulegen,

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP)

sondern dass Sie tats�chlich die Hilfe eines Industrieverbandes ben�tigt haben, um etwas auf die Reihe zu bringen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wie sieht es denn im vorliegenden Haushalt mit der Werteorientierung aus? Das Bild, das sich mir da bietet, ist ein Bild des Grauens. Dar�ber bin ich wirklich ersch�ttert. Entsprechende Zahlen sind ja hier schon genannt worden; ich m�chte aber trotzdem noch einmal einige nennen. Seitdem Sie das Amt des Au�enministers �bernommen haben, seit Oktober 2009, wurden die freiwilligen Leistungen an die Vereinten Nationen um 21 Prozent heruntergefahren. Das trifft insbesondere die Zahlungen an das Hochkommissariat f�r Menschenrechte mit einem Minus von 32 Prozent. Der Titel „Demokratisierungs- und Ausstattungshilfe, Ma�nahmen zur F�rderung der Menschenrechte“ wurde um 51 Prozent heruntergefahren. Darin enthalten sind 6 Millionen Euro f�r Ausstattungshilfe, was quasi ein milit�rischer Posten ist. Der Titel „Unterst�tzung von internationalen Ma�nahmen auf den Gebieten Krisenpr�vention, Friedenserhaltung und Konfliktbew�ltigung durch das Ausw�rtige Amt“ wurde gegen�ber 2009 um 9 Prozent heruntergefahren. Der Titel „F�r Humanit�re Hilfsma�nahmen im Ausland“ wurde um 25 Prozent heruntergefahren. Der Titel „Ma�nahmen der Abr�stung, R�stungskontrolle und Nichtverbreitungszusammenarbeit“ wurde um 35 Prozent heruntergefahren. Man k�nnte diese Liste noch um Stipendien, Goethe-Institute und anderes beliebig erweitern. All das betrifft die zivile Au�enpolitik. Eine Zahl, die heute hier noch nicht genannt wurde, die ich aber auch f�r wichtig halte, ist, dass Sie im Gegensatz zu 2009 70 Millionen Euro mehr im Haushalt haben. Es ist �berhaupt nicht so, dass Sie mit weniger Geld auskommen m�ssten; Sie haben 70 Millionen Euro mehr. Wenn jetzt gesagt wird, dieses Geld flie�e in den Stabilit�tspakt Afghanistan, der auf 180 Millionen Euro aufgebauscht wurde, m�chte ich dem gerne einmal das gegen�berstellen, was in einem Schreiben aus Ihrem Hause steht, in dem es um die Kultur- und Bildungsprojekte des Ausw�rtigen Amtes in Afghanistan geht. Im Vergleich zu 2009 sind demzufolge f�r Schulf�rderung 1 Million Euro weniger vorgesehen; das Projekt „Deutsch als Fremdsprache“ wurde auf null gefahren; die Umfeldstabilisierung – das hei�t berufliche Bildung – wurde um 2,4 Millionen Euro gek�rzt und damit auch auf null gefahren; f�r den Kulturerhalt gibt es 800 000 Euro weniger. Angesichts dessen frage ich mich, wohin denn die Gelder f�r den Stabilit�tspakt Afghanistan flie�en.

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Waffen!)

All das ist die Schattenseite Ihrer wertegeleiteten Au�enpolitik. Im Gegensatz zu den Interessen der Wirtschaft, wof�r die Mittel hochgepowert wurden, wurden die Ans�tze f�r die Umsetzung von Werten wie Menschenrechte, Demokratisierung, Krisenpr�vention, Friedenserhalt in diesem Haushalt geschleift. Ich bin der festen �berzeugung: Wenn dieser Haushalt so, wie er vorliegt, beschlossen wird, hinterlassen Sie ein Tr�mmerfeld ziviler Au�enpolitik.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des B�NDNISSES 90/DIE GR�NEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Jawohl, Tr�mmerfeld!)

Eines muss man Ihnen sicherlich lassen: Sie haben, wie gesagt, vor nicht einmal einem Jahr, n�mlich vor zehn Monaten, das Amt �bernommen. In dieser kurzen Zeit haben Sie die Au�enpolitik gr�ndlich umgepfl�gt: Wirtschaftsinteressen hoch – Kultur, Bildung, humanit�re Hilfe, Friedenserhaltung runter. Es bleibt f�r uns alle eigentlich nur ein Trost: Sie haben nicht nur an den Zahlen des Einzelplans gearbeitet, sondern Sie haben auch an den Zahlen Ihrer eigenen Partei gearbeitet: Innerhalb von zehn Monaten von 15 Prozent auf 5 Prozent bei den Umfragewerten – macht 1 Prozent weniger pro Monat.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Also nur noch f�nf Monate!)

Ich hoffe f�r uns alle und im Interesse der deutschen Au�enpolitik, dass Sie zumindest bei den Prozentzahlen Ihrer Partei Kurs halten. Dann w�re das n�chste Wahlergebnis von Ihnen einfach, niedrig und gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)



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